Ein Weg zu innerer Freiheit und Frieden
Wer kennt das nicht: Den Wunsch, das Leben gelassener und zufriedener zu erfahren, den Kopf leer zu bekommen und sich in sich selbst beheimatet zu fühlen. Aus all dem Trubel des Alltags herauszukommen und in eine tiefe Ruhe einzutauchen. Die Fähigkeit zu erlernen, aus seinen Rollen und Funktionen herauszutreten, sich Raum und Zeit zu nehmen und sich selbst zu sein. Leer zu werden um sich dem Leben in neuer Frische zu stellen. Dieser Wunsch lässt sich erfüllen: durch gelebte Meditation.
Es gab und gibt wohl keine Kultur, keine menschliche Gesellschaft, die sich nicht dieser Sehnsucht bewußt war und ist und nach Antworten suchte und sucht. Wahrscheinlich gab es schon vor Zehntausenden von Jahren Menschen, die einen besonderen Zugang zu einem Seinszustand kannten, der heute als meditativ oder kontemplativ bezeichnet und erlebt wird. Und die auch heute zu finden sind. Überall auf der Welt. Es sind Menschen, die eine tiefe Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, von der man selbst angezogen und berührt wird. Meistens sind es Menschen, die nicht besonders auffallen und ein ganz normales Leben führen. Es gibt aber auch Menschen, die ein meditatives Leben führen und als Lehrer und Lehrerinnen prädestiniert sind, die ihr Wissen und ihr Sein ihren Mitmenschen weitergeben. Einige sind berühmt, wie der Dalai Lama oder Thich um nur einige zu erwähnen. Sie alle unterweisen oder unterwiesen Menschen in meditativer Lebensweise. Populär geworden ist auch Pilgerwege zu gehen.
Der bekannteste Pilgerweg in Europa ist sicherlich der Jacobusweg, eigentlich aus vielen verschiedenen Seitenwegen bestehend, die aber alle im nordspanischen Santiago de Compostella enden. Hape Kerkeling schrieb seine Erfahrungen auf diesem Weg in seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ nieder, was den Bekanntheitsgrad dieser Herausforderung des „sich leer wanderns“ enorm erhöhte. Auch können Yoga, Taiji Quan oder Qi Gong uvm. zu einem meditativen Zustand hinführen. Was immer man sich aussucht, es ist der Wunsch, in ein Hier und Jetzt zu finden. „Wer andere besiegt, hat Kraft. Wer sich selbst besiegt, ist stark.“ (Laotse) Was ist Meditation? Etymologisch betrachtet leitet sich das Wort „Meditation“ aus dem lateinischen „meditari“ – nachsinnen, vorbereiten, sich üben in“ ab. Obwohl es nichts mit dem Begriff der Mitte zu tun hat, wird es heutzutage gerne in Zusammenhang gebracht mit „seine/ihre Mitte finden“ im Sinne einer inneren Ausgeglichenheit oder inneres Geordnetsein. Karlfried Graf Dürckheim, der in Deutschland nach 1945 das Sitzen in der Stille bekannt machte, drückte es einmal so aus: Meditari heißt zur Mitte hin geführt (gegangen) werden. In eine natürliche innere Ordnung finden. Während ich meditiere, geschieht etwas, bewegt sich etwas in mir. So gesehen ist Meditation Zustand und Prozess in Einem. Was versteht man unter „meditieren“? Im Laufe der Jahrtausende entwickelten sich aus allen Kulturen und Religionen heraus Schulen oder Lebensweisen, die meditative Techniken und meditative Praxis lehrten und unterrichteten. Bis heute. Obwohl es oft in einem religiösen Kontext zu finden ist, ist Meditieren losgelöst von den tradierten Religionen und unterliegt einer ganz persönlichen Beziehung zum Leben. Aus der Vielfalt der Richtungen, Angebote und Traditionen stellen sich drei Grundformen des Meditierens heraus:
Die geführte Meditation. Hier sitzt oder liegt man in bequemer Haltung und lässt sich mit innerer Aufmerksamkeit auf die Stimme eines Menschen ein, der bestimmte Vorgaben anbietet, wie zum Beispiel seinen Körper spüren, auf den Atem achten, auf Gefühle und Gedanken, die sich gerade erfahren lassen. Oder den Alltag an sich vorüberziehen lassen mit dem dem Erlebten, sowohl im positiven wie negativen Empfinden um schließlich sich davon zu verabschieden und immer mehr im Hier und Jetzt anzukommen. Auch können Musik, Klänge und Töne dasselbe Bewirken. Hier ist es auch von Vorteil auf technische Träger wie DCs oder MP3 Player zurückgreifen zu können. Die gegenständliche Meditation Hier sitzt man auf einem Stuhl oder am Boden auf einem Meditationskissen oder Meditationsbänkchen aufrecht und in bequemer Haltung. Die Augen entspannt blickt man in das Licht einer Kerze, auf eine weisse Wand, oder auf einen Punkt am Boden, etwa einen Meter von sich entfernt. Auch lässt sich ein Punkt in der Ferne, eine Bergspitze, eine Baumkrone, eine Kirchturmspitze oder sonst ein markanter Punkt, anvisieren. Es geht darum, die Achtsamkeit sanft aber bestimmt auf einen Punkt im Außen zu lenken. Hier gibt es keine Musik und Stimme, die die Meditierenden begleitet. Die gegenstandlose Meditation Auch hier sitzt man in der gleichen Art und Weise, wie schon oben erwähnt. Die Augen entspannt geöffnet oder, was gerne angeboten wird, die Augenlider sanft geschlossen. Dies führt leichter zu einer inneren Betrachtung des Körpers, der Gedanken und Gefühle. Keine Fokusierung nach außen. In einer Meditationsform, der Vipassana-Meditation, wird die innere Achtsamkeit auf den eigenen Atem und dessen Bewegung gelenkt. Auch hier gibt es keine Anleitung von außen. Zumindest nicht während des meditierens. „Aus der Stille trete ich heraus und singe, aus der Leere trete ich heraus und bin. Aus der Stille trete ich heraus und schaffe, Und alles, was ich bin und mache, drängt wieder nur zur Stille hin.“ (Chaitanya Hari, Musiker)
Was bewirkt das Meditieren? Es gibt eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien, die alle möglichen Aspekte und Auswirkungen des Meditierens auf den Menschen untersucht haben, sei es gesundheitlich, sozial, gesellschaftlich oder spirituell. Und es gibt natürlich die jahrtausende alten Erfahrungen der einzelnen Traditionen und Individuen, die niedergeschrieben worden sind. Letztendlich sind die Wirkungen sehr individuell, gleichzeitig aber allen Menschen erfahrbar. Vier zentrale Aspekte sollen hier aufgeführt sein:
Zugänglich werden für ein Leben im ausgleichenden „sowohl als auch“ anstatt in einem polarisierenden und spaltenden „entweder – oder“. Eine allmähliche Hinfindung in eine Lebenshaltung, die auf das Annehmen dessen, was ist, ausgerichtet ist. Das betrifft den privaten und beruflichen Alltag, die Mitmenschen, aber vor allem sich selbst. Indem man durch das Meditieren lernt, bewertungsfrei wahrzunehmen was ist, im Innen wie im Außen, wird man gelassener, freier und klarer.
Vom „machen“ in ein „geschehen lassen“ hineinfinden. Es ist ungemein schwer, in einen temporären Zustand des „nichts tuns“ zu finden und noch schwerer, diesen auszuhalten. Der Mensch definiert sich sehr über seine Tätigkeit, sein Handeln, seine Funktionen und Rollen. Durch Meditation entsteht langsam ein Bewusstsein für sich selbst und allem Lebendigen um sich herum, indem ein Verständnis für einen Zustand des „geschehen lassens“ und des „nichts tuns“ sich entwickelt. Mit anderen Worten: pures Sein. Aus diesem heraus findet sich wieder ein Handeln ein. Die Fähigkeit, von einen Aggregatzustand in den anderen zu wechseln und zurück, bringt mehr Kraft, Zuverlässigkeit und vor allem Kreativität in das Alltagsleben.
Dies führt zu einer weiteren Auswirkung: dem „leer werden“. Nicht in einem psychopathologischen Sinne von Depression und Sinnleere, sondern von einem „loslassen können“, eine Kenosis (altgriech. für „leer-machen). Der moderne Mensch ist so überladen mit allen möglichen Anforderungen und Sinneseindrücken, dass in ihm keine richtige Ruhe mehr einkehrt. Die digitale Welt mit ihren schnell wechselnden Informationen, überansprucht vor allem den mentalen Körper. Und als Erholung davon wird auf dieser Schiene weitergefahren mit unterhaltender Berieselung durch die Medien. „Leer werden“ ist der ultimative Zustand von Entspannung. Ein mentales und emotionales „leer werden“ unterstützt die menschliche Gesundheit, hilft loslassen können und bereit zu sein für Neues und Unentdecktes, innerlich wie äusserlich. Einfach aus dem Kopf kommen und mit allen Sinnen lebendiger zu sein.
Die „Stille hinter der Stille“ entdecken. Alle vorhergehenden Erfahrungen führen schließlich zu einem Erleben tiefer innerer Stille, die sich als Leere und Fülle gleichzeitig erkennen lässt. Die herkömmliche, bekannte Stille ist sozusagen die Antipode zu Lärm, Geräusche, Töne. Sie gehört zur dualen Welt des Menschen wie Tag und Nacht, Hell und Dunkel, Kalt und Warm etc. Jene unique Stille ist ein erlebbarer Raum hinter dieser dualen Welt, in der der Mensch sich bewegt. Eröffnet sich diese Stille dem Menschen und taucht er darin ein, wird sozusagen eins mit ihr, lässt sich ein tiefer Frieden und eine allumfassende Verbundenheit mit sich und der Welt erleben. Und ein kindliches Staunen für das Hier und Jetzt. Im Grunde führt dies alles zu mehr Lebensbejahung, Lebensfreude, Lebenssinn und Lebensliebe. „Ein berühmter Professor, Autor vieler wissenschaftlicher Bücher, kommt zu einem bekannten Meditationslehrer und bittet diesen in Meditation unterrichtet zu werden. Der Professor erzählt und erzählt, was er alles schon an Seminaren deswegen besucht und wieviele Bücher er darüber gelesen habe. Während der Meditationslehrer zuhört, bereitet er dem Gast einen Tee zu. Er nimmt die Teekanne und eine leere Schale, dreht sich dem immer noch sprudelnden Professor zu und bietet ihm eine Schale Tee an. Dieser nickt, nimmt die leere Schale und sein Gastgeber füllt die Schale mit Tee. Als aber die Schale voll ist und beginnt überzulaufen, der Lehrer aber weiter Tee eingißt, hält der Profesor in seinem Redefluß inne und fragt leicht verärgert, was das soll. Darauf lächelt der weise Mann und sagt: Sehen Sie, so wie die Schale voll ist und der Tee überläuft ist es mit Ihnen. Wie können Sie etwas Neues aufnehmen, wenn Sie vor lauter Wissen überlaufen und nicht leer für meine Lehren sind?“ (Alte asiatische Anektode zu Meditation)
Anleitung zu einer stillen Meditation
Nehmen Sie sich Zeit. Suchen Sie sich einen Platz in Ihrer Wohnung, der Ihnen behaglich und ruhig ist. Nehmen sie einen Stuhl und stellen diesen auf den Platz. Sie brauchen nichts weiter. Der Stuhl sollte eine stabile und waagrechte Sitzfläche haben mit einer dünnen Auflage. Die Höhe der Sitzfläche sollte Ihren Oberschenkel die Möglichkeit geben, in einer Waagrechten zum Boden zu sein. Setzen Sie sich auf den Stuhl, den Rücken nicht angelehnt sondern frei. Beine etwa hüftbreit auseinander. Füße entspannt auf dem Boden aufliegend. Legen Sie Ihre Hände mit den Handflächen nach oben oder unten zeigend, auf Ihre Oberschenkel. Kippen Sie Ihr Becken einige Male nach vorne und nach hinten und lassen dann dieses einfach auf die Sitzfläche aufliegen. Räckeln sie nun Rücken und Kopf nach oben und pendeln diese in ein senkrechtes Lot ein. Legen Sie Ihr Kinn leicht zurück bis Sie eine sanfte Dehnung im Nacken spüren. Lockern Sie Ihr Unterkiefer und lassen es hängen, so dass Ihre Lippen gelöst aufeinander liegen oder ein leicht geöffneter Mund sich ergibt. Atmen Sie nun 4 bis 5 mal langgezogen und tief ein und aus. Schließen Sie Ihre Augen oder, wenn das angenehmer ist, senken Sie leicht Ihre Augenlieder. Dabei die Augen unfokussiert lassen.Lenken Sie nun Ihre Gedanken und Sinne auf Ihren Atem. Sanft aber bestimmt. Wann immer Sie mit Ihren Gedanken abgleiten, sich körperlich bewegen müssen, Spannungen auftauchen, kehren Sie zurück zur Atembetrachtung. Was immer in Ihnen geschieht, Sie bleiben einfach Beobachter all dieser Vorgänge in Ihnen. Wenn von außen Geräusche kommen, nehmen Sie diese einfach wahr und gehen wieder in die Atembetrachtung zurück.
Bleiben Sie weiterhin in diesem Zustand der Achtsamkeit und des Geschehen lassens. Am Ende der stillen Meditation lösen Sie sich aus Ihrer Sitzhaltung, stehen auf, räckeln und dehnen sich mit ein paar tiefen Atemzügen und beenden die Meditationsübung.
Nehmen Sie sich etwa 25 bis 30 Minuten Zeit für den gesamten Ablauf. Sie können die Meditation Morgens nach dem Aufstehen oder Abends vor dem Schlafengehen ausführen. Oder sowohl als auch. Und Sie müssen nicht jeden Tag üben, sollten allerdings eine gewisse Kontinuität wahren. So können sie leichter Veränderungen an sich wahrnehmen.
„Meditation ist kein Mittel zum Zweck,
sie ist sowohl Mittel als auch Zweck.
Meditieren bedeutet, zeitlos zu sein. (J. Krishnamurti)